Das lange s: ſ

Wer ſchon einmal Frakturschrift gelesen hat, kennt eine dortige Besonderheit: Der Buchstabe »s« ſteht nur am Ende einer Silbe ſo, wie wir ihn kennen. Innerhalb von Wörtern bzw. Wortsilben ſteht dort das lange s (ſ).

Fehler ſind hier vorprogrammiert – auf Grund von Unwissenheit entstehen falsch eingesetzte Lettern, oder auf Grund fehlender Zeichen in der Schriftart die bekannten Zwiebelfische.

Unterscheidungsregeln

Am Ende eines Wortes oder einer Silbe ſteht das runde s, wie wir es kennen (»s«). An allen anderen Stellen ſteht das lange s »ſ«. Um diese Regel anwenden zu können, muss sich der Verfasser des Textes aber auch im Klaren ſein, wie Worte getrennt werden – vorzugsweise in der alten Rechtschreibung. Ein Beispiel:

Normale Schreibweiſe BedeutungSilbentrennungKorrekte Schreibweiſe mit langem ſ.
WachstubeStube, in der Soldaten wachen.Wach — ſtu — beWachſtube.
WachstubeEine Tube mit Wachs.Wachs — tu — beWachstube.
RestaurantRe — ſtau — rantReſtaurant.
VersendungDas Ende eines Verses.Vers — en — dungVersendung.
VersendungDer Verſand einer Sache.Ver — ſen — dungVerſendung.
GastraumEin Raum für Gäſte.Gaſt — raumGaſtraum.
GastraumEin Traum über Gaſe.Gas — traumGastraum.

Wie zu ſehen iſt, kann durch die Verwendung des langen ſ viel ſchneller aufgenommen werden, um welches Wort es ſich im Text handelt.  Weitere Beiſpiele finden ſich auf der Seite Das Wach-Stuben-/Wachs-Tuben-Argument, welche auch gute Gründe dafür gibt, daß wir dieſe Unterſcheidung in unſerer heutigen Sprache nicht mehr brauchen.

Typische Fehler

Auslaßung

Üblicherweiſe erſcheinen Frakturſätze mit einem langen ſ. Wird auf das lange s in einem Frakturſatz verzichtet, wirkt das Schriftbild unruhig und befremdlich, und keinesfalls originalgetreu. Die Leſegeschwindigkeit leidet ſtark, da die ohnehin ſchwer leſbare Zierschrift ein Zeichen verliert. Da das s in dieſen Schriften oft breit und reichlich verziert iſt, ſtört es im Silbeninneren.

Grundſätzliche Nutzung

Viele Perſonen nutzen in Unkenntnis der oben genannten Regelung das lange s einfach grundſätzlich. Wörter und Wortkombinationen wie »Baſtei« oder »deſ Schloßeſ«gab es in der urſprünglichen Verwendung aber nie. Korrekt geſchrieben heißt es auch in der Fraktur: »Bastei« oder »des Schloßes«.

Schwierig wird die Verwendung der neuen Deutſchen Rechtſchreibung in Verbindung mit dem langen s. Üblicherweiſe bleibt man in dieſen Fällen bei der alten Rechtſchreibung, also etwa »Baß«. In Ausnahmefällen ließe ſich aber auch auf »Baſs« ausweichen, deſſen Ligatur wieder ein ſcharfes »ß« ergibt – woraus es ſich ja urſprünglich gebildet hat.

Zwiebelfische

In einigen freien oder koſtenloſen Schriftarten fehlt das lange s. Wird es nicht gefunden, ſetzt ſo mancher Browser oder ſo manches Typografieprogramm automatisch ein langes s aus einer anderen Schriftart ein. Es entſtehen ſogenannte Zwiebelfiſche.

Zwiebelfisch: langes s »ſ«.
Zwiebelfiſch: langes s »ſ«.

Auf dem Bild iſt das drittletzte Zeichen ein langes s »ſ« in einer falſchen Schriftart, weil in der Ursprungsſchriftart dieſes Zeichen nicht vorhanden war. Es ſtört das Schriftbild und wirkt unruhig auf den Leſer, indem es zu viel Aufmerkſamkeit auf ſich zieht.

Beiſpiele

Im Blog ſammel ich Beiſpiele für Zwiebelfiſche ſowie andere Zeichenfehler. Nicht wenige davon betreffen das lange ſ. Ein Blick lohnt ſich also immer.

1 Kommentar zu „Das lange s: ſ

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